Aus und vorbei

“Kennt ihr das auch? Man ist ganz oben, fühlt sich großartig, aber niemand anderes kann einem das bestätigen. Selbstzweifel? Nein! Wären da nicht alle anderen, die einem immer erzählen müssen, was schief läuft. Sollten sie doch mal selber in meiner Haut stecken. So ein Job ist eben nicht einfach. Und ich weiß ja was ich tue.”

So oder so ähnlich könnte es sich abgespielt haben im Kopf eines guten Freundes. Eines ehemaligen Freundes sollte ich vielleicht dazu sagen. Im Laufe der Jahre lebt man sich auseinander, entwickelt sogar gegenseitige Gräuel. Und warum? Weil wir Menschen sind.

Zusammen Arbeiten bedeutet 8 Stunden täglich miteinander zu verbringen. Hier zeigen sich Stärken und Schwächen sehr schnell, auch wenn man es selbst nicht will. Es ist einfacher stark zu sein als unwissend, schwach oder gar minderwertig. Leider ist es aber auch die einzige Möglichkeit zu lernen. Wer nicht die Transformation von ich-weiß-alles zu ich-kann-es-nicht-umsetzen gemacht hat, wird auch nie zum Ergebnis kommen. Nämlich dem Ergebnis wieder vor einem neuen Problem zu stehen. Dabei ist ein Problem nur eine abstrakte Sache, die wir ausprägen und personalisieren. Am Ende ist das Problem gar kein Problem, sondern wir und die benötigte Zeit für den Lösungsweg sind das, was den Prozess ausmacht. Und auch das, was uns verändert und stärker macht – ausgehend von der unglaublich einfachen Aussage ich-weiß-nicht.

Mit dem Leiden der Professionalität und Integrität leidet dann auch das Persönliche. Konflikte werden nur noch auf die persönliche Ebene reduziert und Gefühle und Emotionen kochen dann gern mit. Das verdirbt natürlich die Suppe. Einer meiner Mentoren sagte damals zu mir: “Wäre alles anders herum gewesen, hättest du genau die selben Fehler gemacht.” Das war natürlich ein Schlag ins Gesicht, konnte ich mich doch überhaupt nicht mit dem Ist-Zustand identifizieren, der weit ab vom eigentlichen Soll-Zustand (über den alle übereinstimmten) lag. Aus Verbesserungsvorschlägen wurde Papierkrieg. Aus Ideen wurde nichts. Aus Fehlern lernte man nicht. Das Fingerzeigen war unsere liebste und destruktivste Beschäftigung.

Ich ging, und bereue den Schritt nicht. Ich sage auch gar nicht, alles richtig gemacht zu haben. Aber die Entscheidung zu gehen war die einzig vernünftige. Ich kann es nicht mehr so. Ich will es besser machen. Viel Zeit und Abstand waren nötig, um aus der Wut eine konstruktive Kraft wachsen zu lassen. Die Umsetzung ist noch immer fraglich, aber mit Ehrfurcht, Gleichmut, Wachsamkeit und vor allem einem offenen Ohr für andere, ist es nur eine Frage der Geduld, bis die Zustände zumindest ein kleines bisschen besser werden.

Er ging, wenn auch bildlich, aber nicht weil er wollte oder weil zu viele professionelle Fehler passiert sind. Nicht weil Konsequenzen und Einsichten überwogen, sondern weil er sich den gröbsten persönlichen Schnitzer erlaubt hat, den man aus dem ein oder anderen Film vielleicht kennt. Er ging nicht, weil niemand ihn gehen lassen wollte, oder auch weil niemand den Mut hat, endlich den Ist-Zustand zu beleuchten. Das Schlimmste ist aber, dass seine Existenz auf einmal völlig ausradiert wurde, genau wie er seine Integrität verlor, das Vertrauen seiner Mitarbeiter. Und das Vertrauen eines Freundes.

Und es sollte sich bewahrheiten, dass mein Mentor Recht hatte auf seine ganz eigene Weise: die aufgetretenen Verhaltensweisen waren tatsächlich universal. Ich war schockiert, aber auch ein wenig erleichtert. Was dennoch fehlte, war das Verständnis diese negativen Verhaltensweisen zu identifizieren und vor allem abzustellen. Die Bereitschaft zum Lernen war so unverhältnismäßig spärlich vorhanden, dass es einem fast weh tat darüber überhaupt nachzudenken. Aus einer Vorbild-Wirkung wird schnell eine Epidemie oder gar eine mentale Lawine, die nur schwer aus den Köpfen der Belegschaft extrahiert werden kann. Nicht ohne völligen Neustart. Zu spät ist es nie, aber das heißt auch nicht, dass man dort das Blatt noch wenden vermag.

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