Das Leben ist zu kurz für Weißweingläser

Ein mit Spülresten übersätes Rotweinglas in der fertigen Spülmaschine. Auch so etwas soll es geben. Ich poliere es sorgfältig und stelle es zu den anderen Gläsern in den Schrank. Dabei fällt mir auf, dass alle Weißweingläser mittlerweile kaputt sind. Auch wenn Jahrhunderte für das optimierte Design der heutigen Weingläser aufgeopfert wurden (Prost!), geht hier der Trend eher zum Alles oder Nichts, oder besser gesagt zur Optimierung des Konsums. Wer hat denn heutzutage noch Zeit mehrmals am Abend in die Küche zu laufen? Ein Weinkühler mutet eher dekadent an. Nein, da bleibt nur noch die reine Form der rohen Menge. Und wie kann das Weißweinglas eigentlich eher kaputt gehen, wo es doch einen geringeren Luftwiderstand in der Schrecksekunde bietet? Ganz im Gegensatz zum Rotwein. Na ja, so interessant ist das alles dann doch nicht. Was also sonst noch?

Zwei, drei vereinzelte Tage Urlaub eignen sich bestens, um das zu erledigen was man eigentlich sonst immer machen kann, aber nicht wirklich will. Arztbesuch, Frisör, Klamotten kaufen, Oma besuchen. Das letzte war gelogen. Jedenfalls genug Zeit, um sich kurz aus dem Alltag zu schieben und die innere Uhr zu verwirren. (Hat nicht ganz geklappt: dieser Blogeintrag erscheint pünktlich am Sonntag.)

Synchron zur schottischen Volksabstimmung über die erneute Unabhängigkeit Schottlands nächste Woche scheint mein angelernter, aufgesetzter schottischer Akzent schon ganz gut zu klappen. Wer mich also die Tage Englisch reden oder singen hört, der sollte sich bitte nicht wundern und das Ganze eher amüsiert zur Kenntnis nehmen. Vielleicht vergeht er ja bald wieder.

Kurzschrift Lektion 6 ist auch geschafft. So hat sich das also damals angefühlt, als man anfing in der Fibel Satz für Satz zu entschlüsseln. Läuft also weiterhin. Übrigens hatte ich mit 30 auch endlich gelernt, wie man effektiv die Schnürsenkel zubindet. Und weil wir gerade beim Thema Lernen sind–der späte John Gardner sagte einmal folgendes: “Sei nicht interessant, sondern interessiert.” Er verband dabei das tägliche Lernen mit dem größten Schatz den man sich in seinem Leben bewahren sollte. Imposant bewies er, dass man sich ständig neu erfinden kann und dabei gleichzeitig sich und anderen viel Freude und unverhoffte Entfaltungsmöglichkeiten bietet. Ja, da fühl ich mit. Damit fühl ich mich wohl.

Und wer jetzt eine Pointe zum Weinglas-Gleichnis erwartete, der soll nicht leer ausgehen. Geburtstag und/oder Weihnachten steht ja vor der Tür. Ich, äh, bräuchte neue Gläser.

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